Damen 1Der Primus muss nachsitzen |
21.10.2012 11:08 |
Samstagabend, 21:55 Uhr, Lerchenberg, Halle B: Die letzten vereinzelten Luftschlangen finden einsam ihren Weg zum schweißfeuchten Hallenboden, die abgestandene Luft schmeckt nach Siegestaumel und riecht nach viel mehr...
Samstagabend, 21:55 Uhr, Lerchenberg, Halle B:
Die letzten vereinzelten Luftschlangen finden einsam ihren Weg zum schweißfeuchten Hallenboden, die abgestandene Luft schmeckt nach Siegestaumel und riecht nach viel mehr. Die leeren Sektflaschen und die heiser, aber glücklich am Boden liegenden Sportlerinnen deuten in subtiler Art und Weise darauf hin, dass hier eben noch acht irre und unkoordiniert umherspringende Bretzenheimer Volleyballikonen ihren verdienten Siegestaumel auf die Spitze treiben durften (unglaublich souveräner Fünfsatzsieg gegen den BISHERIGEN Klassenprimus TV Holz!). Der fassungslos überforderte Mittvierziger, der sich dabei vom Frauenkollektiv mitreißen ließ, imitiert gerade Franz Beckenbauer, der nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1990 mit nachdenklich-befriedigtem Blick, die Hände in den Hosentaschen, über den Rasen schreitet.
Wohin mit all dem abfallenden Adrenalin, den sprudelnden Endorphinen, den willigen Körpern, die immer noch weiter machen wollen? Es wurde umarmt, lobpreist, getrunken, gelacht, gesungen, gehüpft, wieder umarmt und gesungen. Der Körper und die unordentliche 70er-Jahre-Halle zollen ihren Tribut. Die Volleyballikonen retten sich und ihr überforderndes Glücksempfinden in scheinbar alltägliche Übersprungshandlungen: Sie räumen die Bänke zur Seite, bauen das Netz ab, tragen Kästen in den Geräteraum und sammeln die achtlos und voller Enttäuschung auf den Hallenboden geworfenen gegnerischen Wasserflaschen ein.
Da findet sich unter den ganzen Flaschen ein buntes Tütchen mit Schokobären, die nach wie vor unverspeist in der Tüte wohnen. Im Sinne des guten Sportsgeistes halten wir den gegnerischen Spielern, die, bereits geduscht und abfahrfertig, von der Hallengalerie auf uns herunterschauen (=verkehrte Welt), ihr Eigentum hin. Die Königin des saarländischen Volleyballs selbst (Stefanie H.) scheint die stolze, aber resignierte Besitzerin zu sein („Ah, meine Schokobären!“). Nach kurzer Überlegung überlässt sie uns ihren Schatz gönnerhaft und anerkennend lächelnd. In diesem Moment wissen wir, dass es mitnichten nur verwaiste Schokobären sind. Tatsächlich ist es ihr königliches Kind, das wir endlich in den Armen halten dürfen…
Was kostet bitte die Welt? Als Ganzes bitte, nicht geschnitten. Vielen Dank, und schöne Saison noch!
Yvonne Scherf
Impressionen: Bilder: Christian Gurk
Zuletzt geändert am: 24.09.2019 um 13:11
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