Es waren einmal 100 kleine Fehlerchen. Die wussten nicht wohin mit sich und ihren Bedürfnissen, sich zu vermehren und zu entfalten. Also schwankten sie führungslos durch die Welt, immer auf der Suche nach einem warm-wohligen Zuhause. Aber überall, wo sie anklopften und höflich um Asyl baten, wies man sie wirsch ab. „Geht woanders hin, hier will man euch nicht. Niemand will euch. Ihr passt nicht in unsere perfekte Welt.“...

Es waren einmal 100 kleine Fehlerchen. Die wussten nicht wohin mit sich und ihren Bedürfnissen, sich zu vermehren und zu entfalten. Also schwankten sie führungslos durch die Welt, immer auf der Suche nach einem warm-wohligen Zuhause. Aber überall, wo sie anklopften und höflich um Asyl baten, wies man sie wirsch ab. „Geht woanders hin, hier will man euch nicht. Niemand will euch. Ihr passt nicht in unsere perfekte Welt.“ Die kleinen Fehlerchen waren alsbald sehr, sehr traurig. Es konnte doch nicht sein, dass nirgends auf der Welt ein Platz für sie war! Auf ihrer langen und beschwerlichen Reise hatten sie den ein oder anderen kleinen Fehler schon an den verschiedensten Orten kurz verloren und überall ärgerten sich die Menschen ihrer und wünschten sie weit, weit weg.

Schließlich kamen die kleinen Fehlerchen ausgehungert und der völligen Erschöpfung nahe nach Kassel. Orientierungslos und mit letzter Kraft stolperten sie in eine alte Turnhalle, als ob dort ein Ort wäre, an dem es sich zu verweilen lohne. Die 100 kleinen Fehlerchen schauten sich um und fanden sich mitten im zweiten Satz des Spitzenspiels der Regionalliga Südwest wieder. Die Spielerinnen der TSG Bretzenheim waren gerade mal wieder dabei, eine ihrer wunderbaren Angriffsvariationen auszuspielen und den nächsten Punkt vorzubereiten und die Spielerinnen des TV Jahn Kassel wehrten sich händeringend. Da fragten die 100 kleinen Fehlerchen schüchtern bei Kassel an, ob sie ihnen wohl eine Herberge stellen würden. Aber ach! Es war das gleiche wie immer: Hier wollte man die armen Tropfe auch nicht haben. Da endlich weinten die 100 Fehlerchen herzzerreißend und waren am Boden zerstört. Das sahen die Bretzenheimer Damen und fassten sich ein Herz. Nach kurzem wortlosem Blickkontakt war man sich einig: Meisterschaft hin oder her, nicht zu DIESEM Preis! Die Bretzenheimerinnen nahmen die Fehlerchen in den Arm und kümmerten sich liebevoll um sie. Sie ließen sie sogar mitspielen und die 100 Fehlerchen juchzten vor Freude. Endlich waren sie wieder glücklich, nach so langer Zeit der Entsagung! Zusammen mit den Bretzenheimerinnen erarbeiteten sie sich im zweiten Satz einen schönen Vorsprung und dann wurden sie erst richtig aktiv. So aktiv, dass sie sich im dritten Satz vor Erschöpfung ausruhen mussten, da ließen sie die Damen einfach weiter schön fehlerfrei angreifen und gepflegt blocken. Im vierten Satz aber wussten sie, dass sie ihren neuen Gastgebern etwas zurückzugeben hatten: Die lagen nun schon durch schönes, fehlerfreies Volleyball acht Punkte vorne, aber die 100 Fehlerchen strengten sich mächtig an, selbst zum Schiedsrichter hatten sich schon lange ein paar von ihnen verirrt. Und so gewannen die Kasseler am Ende dann doch noch den Satz und auch das Spitzenspiel 3:1 (+21, +18, -21, +21), das äußerst hart umkämpft, sehenswert und der langen Reise wert war.

Und die 100 Fehlerchen? Ziehen hoffentlich wieder weiter. Kein Mensch will euch hier!

Eure Damen I

Zuletzt geändert am: 24.09.2019 um 13:11